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Herzkind Nico

Eine Geschichte, die uns besonders am Herzen liegt – das Herzkind Nico.

 

Nicos Geschichte beginnt im Juni 2016 mit dem Zeitpunkt seiner Geburt. Völlig unerwartet. Die Schwangerschaft verläuft völlig unauffällig, laut Frauenarzt.

 

Heute, fast drei Jahre danach, besucht uns Nico's Familie, um ihr Geschichte mit uns und euch zu teilen.
Lest und fühlt mit, was es bedeutet, ein sehr krankes Kind zu haben und was sich plötzlich für eine Familie von Heute auf Morgen alles ändern muss:

 


RoSa:

Rebecca, was für eine Herzerkrankung hat Nico genau?

 

Rebecca:

Nico hat das Hypoplastische Linksherz Syndrom. Das bedeutet auf gut Deutsch, dass er nur ein halbes Herz hat.

 

RoSa:

Wann und wie habt ihr von Nicos Erkrankung erfahren?

 

Rebecca:

Für uns kam alles völlig unerwartet. Es war eine völlig normale und unkomplizierte Schwangerschaft mit einer sehr schnellen Geburt von ca. 3 Stunden. Alles war sozusagen normal. Rückblickend sein großes Glück. Wäre es eine anstrengende und lange Geburt gewesen, wäre er heute wahrscheinlich nicht hier.
Wenn der Frauenarzt den Herzfehler vorher diagnostiziert hätte, wären wir zur Geburt nach München geschickt worden. Von dort aus wäre Nico sofort optimal versorgt worden.
So hat uns das Ganze aber nach der Geburt sozusagen mit voller Wucht überrollt.


Nico kam zur Welt und wurde mir auf die Brust gelegt. Nach ein paar Minuten merkten die Hebammen, dass etwas mit seiner Atmung und Sauerstoffsättigung nicht stimmt und haben ihn mitgenommen. Wir wurden informiert, dass er erstmal auf die Kinderintensivstation muss, aber man würde dort alles in den Griff bekommen.
Wir durften ihn dann dort immer besuchen.
Als ich am selben Abend zu Besuch kommen wollte, kam eine Ärztin und sagte mir, dass sie mit mir reden muss und ich mich dazu setzen solle. Es wurde mir erklärt, dass Nico nur ein halbes Herz hat und der Krankenwagen nach München ins Deutsche Herzzentrum (kurz DHZ) schon organisiert sei.

Die Nachricht hat mich völlig unerwartet und unvorbereitet getroffen. Ich wollte doch eben gerade nur meinem Kind „Gute Nacht“ sagen. Frank, mein Mann war zu Hause bei der großen Tochter Louisa. Ich wusste gar nicht, was ich als erstes tun sollte. Sitzen bleiben? Mitfahren? Frank anrufen? Auf so etwas kann sich niemand vorbereiten. In dem Moment zieht es einem einfach im warsten Sinne die Füße unter dem Boden weg.
Nach einem kurzen Telefonat kam Frank ins Klinikum und Nico wurde nach München gefahren. Wir sind ohne unseren Sohn nach Hause gefahren. Was das für ein Gefühl ist, kann man nicht beschreiben.
 
RoSa:

Du sagtest, in der Schwangerschaft war alles normal. Hätte man den Herzfehler nicht vorher erkennen müssen?

 

Rebecca:

Ja, das hätte der Frauenarzt eigentlich sehen müssen. Es fand während der ganzen Schwangerschaft nicht nur ein Ultraschall statt und das Herz wird bei den großen Untersuchungen eigentlich komplett unter die Lupe genommen. Wo der Arzt hier hingeschaut hat, wissen wir bis heute nicht. Wir waren nie wieder bei ihm.
 
RoSa:

Habt ihr euch überlegt, gegen ihn vorzugehen?

 

Rebecca:

Ja das haben wir. Aber was soll es bringen. Einen jahrelangen Streit, der viel Zeit und Energie kostet. Die bewahren wir lieber für uns als Familie auf. Am Anfang hätten wir für so etwas sowieso keine Zeit gehabt. Wir waren die ersten vier Monate nur im DHZ in München.
 
RoSa:

Wie konntet ihr das bewältigen, als Nico in München bleiben musste?

 

Rebecca:

Am Anfang sind wir jeden Tag hin und her gependelt. Dank des Ronald Mc Donald Hauses konnten wir bald in München bei unserem Sohn bleiben. Louisa haben wir auch mitgenommen. Abwechselnd haben wir uns um Louisa und um Nico gekümmert.
Wobei um Nico kümmern hieß: Einfach nur am Bettchen sitzen und da sein.
Zwischen den ganzen Apparaten und Schläuchen. Durch die Medikamente war er am Anfang sehr berührungsempfindlich und durfte auch nicht angefasst werden.
Bei Nico waren insgesamt 3 große OP’s geplant, bei denen das Herz sozusagen umgebaut wird, um mit einer Herzkammer zu funktionieren. Weitere Op’s kamen dann aufgrund Komplikationen hinzu.
 
RoSa:

Konnte dein Mann, Frank, die ganze Zeit bei euch sein? Wie lief das mit der Arbeit?

 

Rebecca:

Da hatten wir großes Glück. Er arbeitet bei Feneberg als LKW-Fahrer und als Disponent. Nach einem Gespräch mit seinem Chef war klar, dass sie ihn (und damit auch uns) voll unterstützen. Er durfte sich bezahlt frei nehmen, auch für längere Zeit. Dafür sind wir wirklich sehr dankbar!
 
RoSa:

Seit wann seid ihr jetzt zu Hause?

 

Rebecca:

Zwischen den großen Operationen, die alle zwischen Geburt und vor dem zweiten Geburtstag stattgefunden haben, waren wir immer mal wieder daheim. Zusammengerechnet waren wir insgesamt 6 Monate in München.
Wenn wir daheim waren, hieß es aber zu ständigen Kontrollen nach Kempten ins Klinikum.
Dazwischen Physiotherapie und Osteopathie. Nicht zu vergessen, die ständige Medikamentengabe durch uns. Von normalem Alltag kann man hier also nicht sprechen.
Seit Mai 2018 sind wir nun „ganz“ daheim. Die Kontrolluntersuchungen werden weniger und Osteopathie ist auch nicht mehr nötig. Nico kann im Moment mit seinem „umgebauten“ Herz gut leben.
 
RoSa:

Das hört sich nach einem „normalen“ Kind an…

 

Rebecca:

Naja, er wird sein Leben lang Medikamente nehmen müssen und wird nur eingeschränkt Sport treiben können. Das wäre zu viel für sein halbes Herz. Ansonsten entwickelt er sich völlig normal und hat auch die mehr als 10 Vollnarkosen gut überstanden. Das ist nicht selbstverständlich.
Wir haben leider andere Familien in DHZ kennen gelernt, bei denen nicht alles so positiv verlaufen ist. Und ja, wir kennen auch Familien, die ihre Kinder mit demselben Herzfehler verloren haben.
 
RoSa:

Gibt es für euch etwas, was schwieriger ist wie für andere Familien?

 

Rebecca:

Da fällt uns als aller erstes der Urlaub ein. Für andere Familien die schönste, normalste und stressfreieste Zeit im Jahr. Für uns: Planung und Angst!
Wir sind letztes Jahr an Gardasee gefahren. Nico durfte aufgrund einer Nebenwirkung nach der letzten OP mehrere Wochen kein Fett essen. Was das für ein Kind heißt, dürfte jedem klar sein. Kein Eis, keine Pizza, keine Nudeln. Das hieß für uns im Urlaub natürlich der gleiche Verzicht. Vor Nico eine Pizza essen und ihm nichts abgeben, wäre schlichtweg unfair. 
Dazu kam, dass er am ersten Tag an Angina erkrankte. Andere Familien gehen zum Arzt, holen sich ein Medikament und fertig. Wir gingen auch zum Arzt. Bekamen Antibiotika. Dann aber die Frage: Verträgt sich das mit seinen anderen Medikamenten und seinem kranken Herz?
Die Ärzte dort sprachen nur italienisch und kennen ja seine Krankengeschichte nicht.
Wir haben ihm das Antibiotika nach Rücksprache in der Heimat, trotz Angst, gegeben. Nach ein paar Tagen wurde es besser.
Der Urlaub war nach 5 Tagen vorbei. Die große Schwester Louisa hat sich die Hand gebrochen und musste operiert werden. Dafür sind wir dann heimgefahren. Es sollte einfach nicht sein.
 
RoSa:

Wie geht es nun weiter?

 

Rebecca:

Wir versuchen so gut es geht, normal zu leben und machen Dinge, die andere Familien auch tun. Wo die Reise mit einem halben Herz hinführt, können die Ärzte leider nicht sagen.
Diese Operationsmethode gibt es leider noch nicht so lange. Die ältesten Kinder, die mit so einem Herz in Deutschland leben, sind erst um die 20 Jahre.
Wir genießen also die Zeit und hoffen, dass wir nicht nochmal auf so einer Weise negativ überrollt werden.

 

 

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Nico‘s Familie und wünschen Ihnen und vor allem Nico auf Ihrem weiteren Lebensweg nur das Allerbeste ❤️
Es war ein wunderbares, emotionales Interview. Das wissen wir sehr zu schätzen!

 

Auf Wunsch der Familie veröffentlichen wir keine Fotos.

 

 

Wie wir und ihr Familien in solchen schrecklichen Situationen unterstützen könnt, erfahrt ihr hier: Blogeintrag Stiftung Ronald McDonald. Denn nur, wenn wir alle zusammenhalten und helfen, kann anderen geholfen werden!